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Werden durch die „Doppik“ die öffentlichen Haushalte ärmer? Wie weit kann hier manipuliert werden? (23.11.2009)

In der Oberhessische Zeitung von Samstag, 21. November 2009 wird im Bericht „Mit 58 Milliarden Euro in den Miesen - Hessen rechnet wie ein Unternehmen und legt Bilanz in Doppik-Form vor - Gebäude als Vermögenswerte“  von Christoph Risch für Hessen erstmals wie ein Wirtschaftsunternehmen Bilanz gezogen und dabei werden tiefrote Zahlen vorgelegt.

Vor allem die Pensionslasten für Beamte sorgen für einen Fehlbetrag von rund 58 Milliarden Euro, der nicht durch Eigenkapital gedeckt ist. Auf 14,4 Millionen Euro wird der Wert von Schloss Wilhelmshöhe in Kassel geschätzt. Im Wiesbadener Museum steht ausgestopft ein seltenes Exemplar des vor 100 Jahren ausgestorbenen Equus Quagga. Drei dieser Zebra-ähnlichen Tiere gibt es in Hessen. Ihr Wert: 500 000 Euro. Über Jahre hinweg haben Mitarbeiter der Landesverwaltung akribisch aufgelistet, was alles dem Land gehört, vom Computer über die Kunstwerke bis hin zu Straßen und Wäldern.

85 100 Beamte und Richter

Da kam eine Menge an Eigenkapital zusammen. Doch es reicht gerade einmal, um die Verbindlichkeiten des Landes, rund 32 Milliarden Euro, abzudecken. Die Eröffnungsbilanz, die Ministerpräsident Roland Koch und Finanzminister Karlheinz Weimar vorlegten, weist einen Fehlbetrag von 58 Milliarden Euro aus.

Den dicksten Brocken stellen dabei die Rückstellungen für Pensionen und Beihilfen für die Landesbeamten und Richter dar. 47 Milliarden Euro müssen langfristig dafür bereitgestellt werden. Hessen beschäftigt heute 85 100 Beamte und Richter, dazu kommen 53 800 Versorgungsempfänger. Das Problem der Rückstellungen ist nicht neu, seine Größenordnung wurde jetzt aber erstmals bekannt, weil für die Bilanz für jeden Beamten und Pensionär versicherungsmathematisch ausgerechnet wurde, was ihm zusteht.

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Schloss Wilhelmshöhe in Kassel: Zum Schnäppchenpreis von 14,4 Millionen Euro wäre es zu haben, wenn es denn verkauft werden würde.  ( Bild: FM )
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Der Wechsel von der Kameralistik zur Doppik ist nach Auffassung Kochs zwingend notwendig. Er sprach von einer „ehrlichen Bilanz" und fügte hinzu: „Nur so können Landesregierung und Landtag als Gesetzgeber politische Entscheidungen in ihrer gesamten Tragweite beurteilen." Der Regierungschef hofft, dass andere Länder dem Beispiel folgen und dabei auch die Ehrlichkeit an den Tag legen,"die die Hessen bewiesen hätten. Man hätte nämlich auch die Ausgaben für Lehrer oder Polizisten als Leistungen in die Bilanz aufnehmen können, verzichtete aber darauf. Rechnungshofspräsident Manfred Eibelshäuser, dessen Behörde bei der Bilanzaufstellung mitwirkte, sagte zur Begründung: „Wir haben nur aufgenommen, was objektiv bewertbar war. Andernfalls wäre das Lyrik geworden, und das wollten wir nicht."

Während CDU und FDP die neugeschaffene Transparenz begrüßten und die VorreiteiTolle Hessens würdigten, sieht die Opposition in der Eröffnungsbilanz einen „Offenbarungseid der Landesregierung". Norbert Schmitt (SPD): „Die Bilanz zeigt, dass der Konzern Hessen bankrott ist." Frank Kaufmann (Grüne) sagte, das Ergebnis der Bilanz sei zu einem Teil auch Folge der Schuldenpolitik der Regierung Koch. Insgesamt begrüßte Kaufmann aber die Vorlage der Eröffnungsbilanz. Willi van Ooyen (Linke) befurchtet, dass die Landesregierung mit Hinweis auf die Zahlen weitere Einschnitte ins soziale Netz vornehmen werde.

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Doppik

Seit 200 Jahren wird in den öffentlichen Verwaltungen in Deutschland im Rechnungswesen nach den Regeln der Kameralistik verfahren. Sie erfasst nur Einnahmen und Ausgaben, lässt also keine Rückschlüsse auf Landesvermögen oder Fehlbeträge zu. In Hessen ändert sich das jetzt mit der Einführung der kaufmännischen oder auch doppelten Buchführung (Doppik). Sie dokumentiert, was dem Land gehört, aber auch, wie die langfristigen Belastungen und Wertverluste aussehen. Die 1998 vom damaligen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD) im Einvernehmen mit allen Landtagsparteien eingeleitete Reform soll für mehr Transparenz sorgen und Rückschlüsse zulassen, was auf die nächsten Generationen zukommt.
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