Kostbares Nass

Bundesgerichtshof: Wasserpreise zu hoch

Von U. Knapp, K. Kühn und F. Schuster

Verbraucher in Hessen können auf niedrigere Wasserpreise hoffen: Das Wiesbadener Wirtschaftsministerium darf Wasserversorger zwingen, die Gebühren zu senken. Die Richter des Karlsruher Bundesgerichtshofs (BGH) wiesen am Dienstag eine Beschwerde des Wetzlarer Wasser-versorgers Enwag gegen die hessische Landeskartellbehörde ab, die den Versorger zu einer Senkung der Preise um rund 30 Prozent verdonnert hatte.

Weitere Wasserversorger müssen damit rechnen, dass sie von den Landeskartellbehörden zur Preissenkung verpflichtet werden. Hessen, das als erstes Bundesland gegen überhöhte Wasserpreise vorgegangen ist, führt derzeit acht weitere Kartellverfahren. In zwei Fällen sind bereits Verfügungen ergangen: Die Frankfurter Mainova und die Städtischen Werke Kassel sollen ihre Preise um 37 Prozent senken.

Beide Unternehmen klagen dagegen. Gegen weitere sechs hessische Wasserunternehmen ermittelt die Behörde noch: in Wiesbaden, Darmstadt, Herborn, Gießen, Oberursel und Eschwege. Die betroffenen Unternehmen versorgen rund 1,5 Millionen Menschen. Für einen Durchschnittshaushalt in Wetzlar mit vier Personen und 150 Kubikmetern Wasserverbrauch pro Jahr bedeute die Preissenkung der Kartellbehörde ein Ersparnis von rund 110 Euro pro Jahr.

Die Energie und Wassergesellschaft Enwag, die mehrheitlich der Stadt Wetzlar gehört, erhöhte zum 1. Januar 2003 die Preise für Einfamilienhaushalte auf 2,35 Euro pro Kubikmeter, Mehrfamilienhaushalte sollten 2,10 Euro bezahlen. Die beim hessischen Wirtschaftsministerium angesiedelte Kartellbehörde verglich die Preise mit 18 gleichartigen Wasserversorgern und kam zu dem Ergebnis, dass der Preis der Enwag um 30 Prozent überhöht sei. Im Mai 2007 verfügte die Behörde eine Preissenkung. Im folgenden Rechtsstreit machte die Enwag geltend, dass Wetzlar aufgrund seiner Lage in den Bergen höhere Kosten habe. Die zum Vergleich herangezogenen Wasserversorger seien „nicht gleichartig.'' Mit dieser Rechtsbeschwerde scheiterte die Enwag vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt.

In der Urteilsverkündung verwahrte sich BGH-Präsident Klaus Tolksdorf, der gleichzeitig Vorsitzender des Kartellsenats ist, gegen Versuche der Beeinflussung des Verfahrens durch die Wasserwirtschaft. Dem Kartellsenat sei ein Rechtsgutachten des Bundesverbands der Wasserwirtschaft zugegangen. „Das ist nicht ganz unser Stil", so Tolksdorf. Rechtsgutachten würden im Übrigen öfter vorgelegt „als sie es vom Inhalt her verdient hatten."

Mainova prüft Urteil

Die Frankfurter Mainova will sich noch nicht zu der Entscheidung äußern. Der Konzern wartet zunächst auf die schriftliche Urteilsbegründung aus Karlsruhe. „Wir werden uns anschauen, inwiefern das Urteil auf unser Verfahren anwendbar ist", sagte Pressereferent Frank Senger gegenüber der Frankfurter Rundschau.

Auch die Enwag äußerte sich vorsichtig. Einen Bericht der Gießener Allgemeinen Zeitung, wonach die Wetzlarer Kunden 2,7 Millionen Euro zurückerhalten könnten, wollte Geschäftsführer Wolfgang Schuch nicht kommentieren. „Wir müssen in der schriftlichen Urteilsbegründung, die uns noch nicht vorliegt, noch nach Hinweisen auf Auswirkungen für unsere Kunden suchen." Laut richterlicher Feststellung habe die Enwag nur zwischen Mai 2007 und Dezember 2008 zu hohe Preise berechnet. Bis heute habe der Konzern seine Preise nicht gesenkt. Welche Auswirkungen das Karlsruher Urteil auf die Gebühren für 2010 haben wird, müsse die Enwag noch prüfen.

Sieg für den Verbraucher

„Das ist nicht nur ein guter Tag für die Wasserkunden in Wetzlar", kommentierte Hessens Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) das BGH-Urteil. „Der Beschluss ist ein großer Sieg für die Verbraucher und hat Signalwirkung über Hessen hinaus." Die von der Kartellbehörde erstrittene Entscheidung sei bundesweit richtungsweisend. Andere Bundesländer beobachteten das Vorgehen mit großer Aufmerksamkeit. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) hat bereits angekündigt, die Preise der Wasserversorger stärker unter die Lupe zu nehmen.

Posch sagte, die Verbraucher erhielten zwar nicht automatisch rückwirkend ihr Geld zurück. Er gehe aber davon aus, dass sie Rückforderungen für die Jahre 2007 und 2008 geltend machen können. Kunden müssten sich dazu an die Versorger wenden. Bei der Wasserversorgung gebe es ein natürliches Monopol, so Posch. „Anders als etwa beim Strom herrscht hier kein Wettbewerb, Bürger und Gewerbekunden können nicht zu anderen Anbietern wechseln." Weil der Wettbewerb fehle, würden Sparpotenziale nicht genutzt oder gar nicht erst gesucht. „Den Preis dafür zahlen die Kunden/'

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßte die BGH-Entscheidung. Auch die Grünen. Allerdings fordern sie, dass Preistransparenz nicht mit Preisdrückerei verwechselt werden dürfe sowie die Einhaltung von Qualitätsstandards.


-------------------------------- Der Präzidenzfall ----------------------------------------



Wettbewerbsexperten erwarten, dass das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall des Wetzlarer Versorgungsunternehmen Enwag die gesamte Wasserwirtschaft in Deutschland verändern kann. Ihre Hoffnung: Wasserversorgungsunternehmen könnten dazu gezwungen werden, effizienter zu arbeiten und ihre Kostenstruktur transparenter zu machen. Aus diesem Grund wurde das Urteil in vielen Landeskartellbehörden mit großer Spannung erwartet. Insider gehen davon aus, dass demnächst auch Wettbewerbshüter in anderen Bundesländern gegen Wasserversorger mit überhöhten Tarifen vorgehen.

Enorme Preisunterschiede kennzeichnen das Geschäft mit dem Trinkwasser. Sie liegen bundesweit zwischen 50 Cent und vier Euro pro Kubikmeter (1000 Liter). Diese Differenzen lassen sich nach Ansicht des renommierten Wirtschaftswissenschaftlers Christian von Hirschhausen nur bedingt durch „strukturelle Unterschiede" in den verschiedenen Versorgungsgebteten erklären. Von Hirschhausen macht sich deshalb für eine Regulierung der Wasserwirtschaft stark. Er schlägt eine systematische Preiskontrolle vor, die auf Landes- oder Bundesebene organisiert werden könnte. Grundvoraussetzung ist, dass die Unternehmen verpflichtet werden, vergleichbare Daten zu liefern.

Umstritten ist das Instrumentarium für die Überprüfung der Tarife. Hessens Landeskartellamt hat die Wetzlarer Preise mit denen ähnlicher Kommunen verglichen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bestreitet, dass diese Vergleichbarkeit bei der Wasserversorgung überhaupt möglich ist. Die Versorgungsgebiete seien dafür in vielen Fällen zu kleinteilig und die spezifischen Bedingungen in den Kommunen zu verschieden. Neben der Größe und der Dichte der Besiedlung einer Kommune seien auch die Topographie und die Geologie des jeweiligen Gebietes im Wassergeschäft maßgebliche Faktoren. Die demografische Entwicklung müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Auch der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisiert, dass der BGH „entscheidende Struktur- und damit Kostenunterschiede zwischen den Wasserversorgern nicht berücksichtigt".

Von massiver Rechtsunsicherheit spricht deshalb der BdEW. Nach dem Urteil sei nun unklar, „wie Wasserpreise ermittelt werden können, die vor Landeskartellbehörden und Gerichten Bestand haben." Die starke Fokussierung auf die Preise hält die Lobby für „völlig verfehlt". Die Qualität des Trinkwassers und Versorgungssicherheit gerieten dabei ins Abseits, fw


Wieviel kostet das Wasser in hessischen Städten ? : (Durchschnittlicher Gesamtpreis für einen vierköpfigen Haushalt mit einem Durchschnittsverbrauch von 150 Kubikmetern pro Jahr, Euro pro Kubikmeter)

Stand :Januar 2010   FR/Galanty; Budziak; Quelle : Hessisches Wirtschaftsministerium, Landeskartellbehörde Energie und Wasser


Steinbach (Taunus) Wasserversorgung : 2,99

Wiesbaden Stadtwerke : 2,69

Wetzlar Enwag : 2,52

Giessen Stadtwerke : 2,41

Darmstadt HSE/Entega : 2,47

Hanau Kreiswerke  : 2,30

Hanau Stadterke : 2,12

Offenbach EVO : 2,27

Frankfurt Mainova : 2,19

Kassel Städt.Werke : 2.30

Dreieich Stadtwerke : 2,11

Bad Vilbel Stadtwerke : 1,99

Neu-Isenburg Stadtwerke : 1,80

Langen Stadtwerke : 1,77

Mühlheim Stadtwerke : 1,51